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Panzerfahrzeuge – Technische Beschreibung

Panzerfahrzeuge Diagramm

Panzerfahrzeuge

Technische Aspekte

Seit dem ersten Panzereinsatz am 15. September 1916 an der Somme sind über 100 Jahre vergangen. Die Panzertechnik hat sich seither stetig weiterentwickelt, die Anforderungen an ein Panzerfahrzeug haben sich jedoch im Grundsatz nicht verändert: Das Feuer unter dem bestmöglichen Schutz und mit der grösstmöglichen Mobilität an den Gegner zu bringen! Entsprechend war und ist es das Bestreben der Panzerbauer, einen möglichst optimalen Kompromiss der Faktoren Feuerkraft, Schutz, Mobilität und Führungsfähigkeit zu erreichen.

Feuerkraft

Die Panzer im Ersten Weltkrieg waren aufgrund des primären Einsatzes gegen die gegnerische Infanterie mit Maschinengewehren und/oder vergleichsweise kurzen Kanonen ausgestattet. Die Mündungsgeschwindigkeiten der Kanonen lagen bei ca. 500 m/s, die effektiven Einsatzdistanzen unter 1’500 m, verschossen wurde Spreng- und Schrapnellmunition mit einer sehr geringen panzerbrechenden Wirkung.

Erst aufgrund der deutschen Erfolge in Polen, Frankreich und der Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkrieges fand ein Umdenken statt, der Panzer musste nun im Duell gegen andere Panzer bestehen. Die Kanonen wurden zunehmend länger, um die Mündungsgeschwindigkeit und damit Präzision, Einsatzdistanz und Durchschlagsleistung zu erhöhen. Durch die Einführung von Hohlladungsgranaten, Hartkerngeschossen mit Wolframkarbidkern sowie Treibkäfiggeschosse wurden die Durchschlagsleistungen massiv erhöht und erreichten bei Kriegsende ca. 100 mm RHA bei Hohlladungsgranaten und über 200 mm RHA bei Hartkerngeschossen. Die Kaliber lagen bei 88/90 mm bzw. 122 mm, die Mündungsgeschwindigkeiten erreichten 1’200 m/s für Wuchtmunition, die effektiven Einsatzdistanzen erhöhten sich auf über 2’500 m. Weitere Errungenschaften des Zweiten Weltkriegs waren die – vorerst noch eingeschränkte – Waffenstabilisierung und die ersten Nachsichtgeräte.

Die Einführung von voll stabilisierten Waffenanlagen, welche erstmals ein präzises Schiessen aus der Fahrt ermöglichten, erfolgte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Der erste Einsatz von Ladeautomaten für grosskalibrige Kanonen folgte kurze Zeit später. Obwohl die Entwicklung des Pfeilgeschosses in den Zweiten Weltkrieg zurückgeht, erfolgte die Einführung auf dem Panzer, gleichzeitig mit der Glattrohrkanone, erst knapp zwei Jahrzehnte später in der Sowjetunion. Mit der Kombination aus Glattrohrkanone und Pfeilgeschoss wurden Mündungsgeschwindigkeiten von mehr als 1’600 m/s und eine Durchschlagsleistung von ungefähr 300 mm RHA erreicht. Der erste rohrverschiessbare Lenkflugkörper folgte wenige Jahr später. Der Einbau von Laserentfernungsmessern und die Einführung der ersten Waffennachführanlage mit Koinzidenzüberwachung erhöhten weiter die Erstschusstrefferwahrscheinlichkeit, zudem wurde durch den Einsatz von Wärmebildgeräten die Nachtkampffähigkeit auf eine neue Stufe gehoben.

Ein moderner Kampfpanzer verfügt heute über eine digitale Feuerleitanlage, welche stehend oder fahrend die Aufklärung und Bekämpfung von Zielen auf über 4’000 m ermöglicht. Die voll stabilisierte Glattrohrkanone erreicht mit Pfeilgeschossen eine Durchschlagsleistung von mehr als 700 mm RHA und mit Hohlladungsgeschossen von 600 – 900 mm RHA. Als Sekundärbewaffnung dient typischerweise ein rohrparalleles mittelkalibriges Maschinengewehr sowie ein weiteres Maschinengewehr auf dem Turmdach zur Nahverteidigung – vermehrt auch als autarke Waffenstation, welche unter Panzerschutz bedienbar ist.

 

Panzerfahrzeuge Durchschlagskraft
Abbildung: Evolution der panzerbrechenden Wuchtmunition (Quelle: Lanz/Odermatt, Kinetic Energy Projectiles: Development, History, State oft he Art, Trends)

 

Schutz

Die ersten Panzer verfügten zum Schutz über Stahlplatten, welche in Skelettbauweise auf einen Rahmen genietet oder geschraubt waren; einzelne Konstruktionen verfügten bereits bei ihrer Einführung über eine Schottpanzerung. Die Plattenpanzerung erwies sich als brauchbarer Splitterschutz, wurde jedoch kurze Zeit später durch die deutsche 7.92 mm x 57 SmK auf über 100 m Distanz durchschlagen.

Während der Zwischenkriegszeit erhielt vermehrt die Guss- und Schweisstechnologie Einzug in den Panzerbau, was zu Entwicklung von gegossenen und geschweissten Panzerstahlkonstruktionen führte.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges waren die Panzerungen nur unwesentlich stärker als noch im Ersten Weltkrieg – mit einer Ausnahme: Der unter strengster Geheimhaltung entwickelte sowjetische T-34 verfügte bereits zu diesem Zeitpunkt über eine 45 mm starke Panzerung, die Panzerplatten waren zudem schräggestellt, was bei der damals verwendeten Munition bei Auftreffwinkeln unter 40° häufig zu Abprallern führte. Im Verlaufe des Krieges wurden die Panzerungen immer stärker und erreichten zu Kriegsende 120 – 150 mm, die des Jagdtigers sogar über 250 mm.

Der sprungartige Anstieg der Gewichte machte den Konstrukteuren noch während dem Krieg bewusst, dass die Stahlpanzerung in Monoblockausführung keine gangbare Variante für die Zukunft sein konnte. Trotzdem sollte es noch drei Jahrzehnte dauern, bis die erste Kompositpanzerung serienmässig verbaut wurde. In der Zwischenzeit erlebte die Gusstechnologie einen Aufschwung – durch die relativ einfache Veränderung der Wandstärken liessen sich beschussoptimierte Geometrien fertigen, durch die Einführung von hochfesten Gusslegierungen konnten ab etwa 1970 schliesslich auch vergleichbare ballistische Werte wie bei gewalzten Panzerstahlplatten erreicht werden.

Zu den Hochzeiten des Kalten Krieges überschlugen sich dann plötzlich die Entwicklungen im Bereich des Panzerschutzes: mit der Einführung von Reaktivpanzerungen, der Beulblechtechnologie sowie dem ersten abstandsaktiven Schutzsystem. Nach der Hardkill-Variante folgte 10 Jahre später noch eine Softkill-Variante.

Ein moderner Kampfpanzer verfügt heute über eine Kompositpanzerung, allenfalls lokal verstärkt durch Reaktivschutzmodule, und – aktuell noch selten – ein abstandsaktives Schutzsystem. Die Frontalpanzerung schützt gegen Pfeilgeschosse mit 600 – 800 mm RHA und Lenkflugkörper mit Hohlladungsgefechtskopf mit mehr als 1200 mm RHA. Eine ABC-Schutzanlage und eine Brandunterdrückungsanlage im Kampfraum gehören zur Standardausstattung.

Mobilität

Die Panzer im Ersten Weltkrieg wurden durch Benzinmotoren angetrieben und erreichten bei einer spezifischen Leistung von 3 – 6 PS/t eine Höchstgeschwindigkeit von 6 – 8 km/h. Obwohl diese Geschwindigkeit für die ursprünglich angedachte Rolle zur Unterstützung der Infanterie grundsätzlich ausreichte, startete man noch während dem Krieg mit der Entwicklung stärkerer Motoren. Die Einsatzreichweiten der ersten Panzer betrugen zwischen 45 km und 65 km, die Grabenüberschreitfähigkeit lag bei 3.5 m bis 4 m.

Nach dem Krieg standen nicht genügend Mittel zur Verfügung, um kompakte, leistungsstarke Panzermotoren zu entwickeln – man behalf sich u.a. mit Flugzeugmotoren. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Krieg wurden die Laufwerke weiterentwickelt: eine Scharnierkette und ein gefedertes Laufwerk gehörten zum Standard. Der erste technologische Meilenstein nach dem Krieg gelang mit dem Christie-Laufwerk – es konnte sowohl mit Ketten als auch mit Rädern betrieben werden und erlaubte Höchstgeschwindigkeiten von 120 km/h bzw. 55 km/h. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges konnten mit der Drehstabfederung und dem Dieselmotor noch zwei entscheidende technologische Durchbrüche erzielt werden. Weitere Errungenschaften aus der Zwischenkriegszeit waren die Endverbinderkette und das Überlagerungslenkgetriebe.

Im Vergleich zu den Entwicklungen im Bereich Feuerkraft und Schutz brachte der Zweite Weltkrieg im Bereich der Antriebssysteme nur geringfügige Weiterentwicklungen; eine der wenigen Innovationen war die Kraftübertragung mit Drehmomentwandler (1944, M26 Pershing) sowie das Schachtellaufwerk, welches sich aber aufgrund des extremen Instandhaltungsaufwandes nicht durchgesetzt hat. Die Antriebsleistung lag zum Kriegsende bei 500 – 700 PS.

Während dem Kalten Krieg kam es im Bereich der Laufwerkstechnologie mit der Einführung von hydraulischen Schwingungsdämpfern, hydraulischen Endanschlägen zu entscheidenden Detailverbesserungen. Neben der Weiterentwicklung der bestehenden Technologien wurden in den 1980er Jahren zudem noch zwei neue Technologien eingeführt: Der Gasturbinenantrieb und das hydropneumatische Laufwerk – beides konnte sich jedoch bis zum heutigen Tag nicht in der Breite durchsetzen. Ein moderner Kampfpanzer verfügt heute über einen Triebwerkblock bestehend aus 12-Zylinder-Dieselmotor und einem hydromechanischen Schalt-, Wende- und Lenkgetriebe, ein Drehstablaufwerk mit hydraulischen Dämpfern/Endanschlägen sowie eine Endverbinderkette mit Gummipolstern. Er erreicht bei einem Gefechtsgewicht von 50 – 70 t mit einer spezifischen Antriebsleistung von 20 – 25 PS/t eine Höchstgeschwindigkeit von 60 – 70 km/h und erreicht eine Einsatzreichweite von 500 km (Strasse) bzw. 200 km (Gelände). Das Laufwerk erlaubt ein Überschreiten von Gräben bis 3 m Breite und Stufen bis 1 m Höhe sowie das Befahren von Neigungen bis 60% (30°).

Führung

Die ersten Panzerfahrzeuge verfügten über fest eingebaute bzw. nur beschränkt schwenkbare Waffen, was dazu führte, dass die Fahrzeuge zum Gegner ausgerichtet werden mussten. Der drehbare Turm war die Lösung für dieses Problem und ist bis heute eines der wesentlichen Erkennungsmerkmale für einen Kampfpanzer.

Während die Führung im Ersten Weltkrieg noch über Zeichengebung per Hand erfolgte und Nachrichten über grössere Distanzen mit Brieftauben übermittelt wurden, setzte die Wehrmacht in den 1930er Jahren auf den Einbau von Funkgeräten – dies revolutionierte die Bewegungs- und Feuerführung und sollte zu Beginn des Zweiten Weltkrieges dann auch einer der massgebenden Erfolgsfaktoren für die schnellen und koordinierten Vorstösse der deutschen Panzerverbände sein. Das Funkgerät setzte sich dann im Verlauf des Krieges auch bei den Alliierten durch, aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit teilweise jedoch nur auf der Kommandantenstufe.

Ein weiterer Meilenstein in der Feuerführung stellte die Einführung der Hunter-Killer-Fähigkeit dar, welche dem Kommandanten die kontinuierliche Zielaufklärung und -zuweisung an den Richtschützen erlaubte und damit die Zielbekämpfungsgeschwindigkeit deutlich steigerte.

Der vorerst letzte technologische Meilenstein im Bereich der Führung war die Integration eines Führungs- und Informationssystems, welche die taktische Lage auf einer digitalen Karte in Echtzeit darstellt und damit die Lagebeurteilung und Führung auf der taktischen Stufe wesentlich verbessert.

Ein moderner Kampfpanzer verfügt heute über eine Bordverbindungsanlage zur internen Kommunikation sowie zwei Funkgeräte zur Kommunikation im Verband bzw. mit der vorgesetzten Stufe. Die Hunter-Killer-Fähigkeit gehört zum Standard, Führungs- und Informationssysteme werden vermehrt eingesetzt.

100 Jahre Panzerfahrzeuge – Quo Vadis?

Drei Entwicklungstendenzen sind in der Panzerentwicklung der vergangenen 100 Jahre erkennbar:

  • Ab der Indienststellung des ersten Kampfpanzers 1916 bis in die 1960er Jahre war primär der Maschinenbau gefordert, mit entsprechenden konstruktiven Lösungen die militärischen Anforderungen an einen Kampfpanzer zu erfüllen.
  • Ab den 1960er Jahren bis zur Jahrtausendwende wurden die entscheidenden Fortschritte in der Panzerentwicklung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – überwiegend durch den Einsatz von elektronischen Technologien
  • Seit der Jahrtausendwende zeigt die Tendenz in Richtung einer umfassenden Digitalisierung des Kampfpanzers, um die Systemleistungen weiter zu erhöhen und die Besatzungen von Routineaufgaben zu entlasten.

Die Entwicklung wird sich auch im kommenden Jahrzehnt primär auf den Bereich der Elektronik und Digitalisierung konzentrieren:

  • Automatisierung des Feuerkampfes
  • Führungs- und Informationssysteme
  • Unbemannter Einsatz
  • Abstandsaktiver Schutz
  • Virtual Reality
  • Hybride Antriebssysteme

Die meisten Streitkräfte planen damit, dass die aktuell im Einsatz stehenden Kampfpanzermodelle bis mindestens 2035 im Dienst bleiben, wahrscheinlicher ist jedoch 2040 oder noch länger.

 

 

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